Die Turnwanderung an Auffahrt, verlief der strömungsreichen Thur entlang. Es hatte die letzten Wochen dementsprechend viel geregnet. Fische hatten wir keine gesehen. Das hielt Pascal und mich jedoch nicht davon ab, sämtliche Süsswasserfische aufzuzählen, welche wir beim Namen kannten.
Die alte Bischoffszeller Thurbrücke gängelte im Zickzack. Eine massive Steinmauer mit sechs Torbögen. Es wirkte pompös, wenn schmale Turner über ihren Kamm, zur anderen Seite hinüber tänzelten.
Hobbykoch Thomas weiss bestens Bescheid, wo er sich seinen Knoblauchersatz besorgt. Der in Ufernähe, dichte Teppich bildende Bärlauch, roch unverwechselbar.
Schade. Sobald die weißen Blüten treiben, verfranzen die würzigen Salatblätter. Werden alt und runzelig. Heute wurde nicht gepflückt. Vielleicht auch weil wir uns im Naturschutzgebiet befanden.
In Botanik gab es teilweise beachtliche Wissenslücken. Ich wollte einen Hinweis geben zu einer Pflanze, die man auf jeder Magerwiese findet. «Das hier ist der Zellwegerich!» Anstatt mich zu korrigieren, kam die Frage: «Ist das auch wahr? Unser Reiseleiter heisst fast genauso!»
Vor der ganzen Gruppe konnte der Spruch allerdings nicht hinwegtäuschen. So Mancher hatte eben doch einen grünen Daumen.
Wir waren neun Marschtiger. Alle mit modernsten Schuhwerken ausgestattet. Alex wäre der Zehnte gewesen. Aber wie es so ist, wenn man einem Event Interesse schenkt, jedoch kürzer treten muss… Die Kollegen lassen einen nicht mehr los.
«Die drei Stunden Anfahrtszeit, vom Studienplatz in Biel, könne kompensiert werden! Befehl! Du kommst direkt zum Grillplatz!»
Müde in den Beinen und pappsatt, hatte uns Alex per Anruf einen schönen Tag gewünscht. Er sei nudelfertig.
Der Fels um unsere Feuerstelle war bröckelig. Etliche runde Steine, ragten wie stumpfe Zähne aus dem Gesteinskit. Ich hatte diese Formation an einem Gletscherfindling im Stadtpark gesehen. „Nagelfluh!“, stand auf dessen Etikett.
Michi als Studierter, wusste natürlich sofort den Fachbegriff. «Ein Konglomerat! So viel festgebackenes Geröll! Das kann nur ein Konglomerat sein!»
Andres prahlte schon am Bahnhof damit, dass er die Badehose eingepackt hätte.
Der Bach war eiszapfenkalt. Perfekt um die Getränke zu kühlen aber nicht um sich reinzusetzen und den Arsch abzufrieren. Andres wollte es trotzdem wissen und watete tapfer durch das Bachbett. Unter dem Hohlesteinwasserfall genehmigte er sich eine nasse Dusche. Tarzan am Schreien. War eben doch nicht angenehm, den Bauch unter das ekelhaft kalte Wasser zu stellen. Das war ein kurzer Tauchgang. Geradewegs stapfte Andres dem lodernden Feuer entgegen und wärmte sich wieder auf.
Der Trocknungsmethode für die Badehose war so eine erfindungsreiche Konstruktion. Die Badehose musste schnell trocknen, aber einfach überhängen war uncool. Cooler war es die die Badehose an einen hölzernen Kleiderbügel zu hängen und ihn mit dem Stecken übers Feuer zu halten.
Corina meinte das ginge bequemer, ohne müde Arme zu bekommen. Sie fädelte den Stecken durch ein Kettenglied der Feuerschale und nahm zur Balance eine leergesoffene Glasflasche als Gegengewicht.
Nach drei Minuten «Schweben» versagte die Konstruktion dann doch. Die Badehose segelte und die Flasche torkelte zu Boden.
Die üblichen Restaurantstopps der vergangenen Jahre fehlten bei dieser Turnfahrt, abgesehen vom Guten-Morgen-Kaffee in der Cafeteria. Hungern oder dursten musste trotzdem keiner. Hatten wir schon Berge an Essen für die Gemeinschaft im Reisegepäck, gab es weitere Verpflegung bei den Eltern, vom grosszügigen Reiseleiter Ralf.
Das Wetter war am Nachmittag ordentlich rau geworden. Wir zogen die Zeltwände am Gartentisch, um den bissigen Wind zu stoppen.
Für lockere Stimmung hörten wir Musik. Mitunter Medleys von nur dreissig Sekunden Dauer, um mit unverhofftem Abriss zum nächsten Hit zu springen.
Ein Wettkampf stand noch auf dem Programm. Das umhauen der Kubb-Klötze. So kleine klotzige Soldaten, welche auf der grünen Wiese in eine Reihe gestellt werden. Es war nervenaufreibend. Oft um Haaresbreite daneben zielend, mit den jeweiligen sechs Schuss.
Apropos Schuss. Zum Schluss gab es noch Stress wegen der Zugabfahrt. In der Schweiz fährt der öffentliche Verkehr stehts nach Fahrplan. Ralf konnte also genau berechnen, ab welcher Entfernung wir die Beine in die Hand nehmen und unter Karacho zum Endspurt anlegen mussten, um in letzter Sekunde durch die Tür ins Abteil zu schlüpfen.
Vernünftigerweise gab es zwei Kameraden, die das Prinzip der «Wahren Turnfahrt» verstanden hatten. Andres und Michi schlenderten gemächlich. Winkten dem abfahrenden Zug mit einem Lächeln auf den Lippen nach. «Der nächste Zug kommt bestimmt! Und auch der wird pünktlich sein!»